Mit diesem Band werden Ergebnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung aus dem italienisch- und deutschsprachigen Raum vorgestellt. Dabei werden Südtirol und das Trentino als Schauplatz für das Aufeinandertreffen zweier Geschichtsschreibungen gesehen, die gerade in der Auseinandersetzung mit Wirtschaftsthemen bedeutende Resultate hervorgebracht haben, wobei Sprachgrenzen überwunden und nationale Frontstellungen beseitigt wurden. Die hier versammelten Beiträge setzen sich in einer einheitlichen Sichtweise mit den verschiedenen Teilaspekten des regionalen Wirtschaftsgefüges auseinander. Sie untersuchen die Merkmale des raschen Wandels nach einem langen Zeitraum, in dem die Schwachpunkte überwogen und die Stärken sich nicht durchsetzen konnten. Besonders hervorgehoben wird die Fähigkeit der regionalen Gesellschaft, ihr verfügbares «greifbares Kapital» und «nicht greifbares Kapital» im Hinblick auf das Gesamtwachstum zu aktivieren. Eingehend werden die Bedingungen untersucht, unter denen die Ressourcen der Autonomie einen Wandel von enormer Bedeutung ermöglicht haben, und zwar im Verein mit Genossenschaften, mutigen Unternehmern und einer Bevölkerung, die Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungsbereich unter einen Hut brachte. Aus diesem Band ergibt sich insgesamt das Bild einer Region, der es gelungen ist, die Marginalisierung zu überwinden und im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine Vorrangstellung in der nationalen und europäischen Wirtschaft einzunehmen.
Andrea Leonardi ist ordentlicher Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Wirtschaftsfakultät Trient und war Gastprofessor an der Universität Innsbruck. Der Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit lag zunächst auf den Entwicklungsverläufen in den Berggebieten und verlagerte sich dann auf die Diversifikationen im Prozess der wirtschaftlichen Modernisierung der Habsburger Monarchie sowie auf die innovativen Aspekte des wirtschaftlichen Wandels in Mitteleuropa und Italien zwischen del 19. und 20. Jahrhunderts. Andrea leonardi hat in Italien und im Ausland über 150 Beiträge veröffentlicht, daruter zahlreiche Monografien.
Einleitung
Andrea Leonardi Von der Vorherrschaft des primären zum Vormarsch des tertiären Sektors 1. Der lange Weg zur Überwindung der Marginalität 2. Das Erbe der Belle Époque 3. Der Bruch des Ersten Weltkrieges 4. Die Kriegsschäden 5. Der Wiederaufbau 6. Die komplexen Probleme der Finanzwirtschaft 7. Die schwierige Lage des verarbeitenden Sektors 8. Die ungewisse Entwicklung des Dienstleistungssektors 9. Die Verunsicherung bei den wirtschaftlichen Entscheidungen und die Landwirtschaftspolitik des Faschismus 10. Große Depression und Industrie 11. Der Zusammenbruch des Finanzsystems 12. Der schwierige Wiederaufschwung in den Vorkriegsjahren 13. Von der Aberkennung des Selbstbestimmungsrechts zur Erlangung der Autonomie 14. Die vordringlichen Wirtschaftsfragen und die Maßnahmen der Autonomieinstitutionen 15. Die Maßnahmen zur Belebung der Landwirtschaft 16. Die Dynamiken im sekundären Sektor 17. Der Vormarsch des tertiären Sektors 18. Fazit: Eine Entwicklung ohne Schattenseiten?
Teil 1. Wirtschaftspolitik und lokale wirtschaftliche Gleichgewichte Andrea Bonoldi Wirtschaft und Institutionen. Eine soziale und politisch-administrativeKonstruktion des Marktes? 1. Institutionen und lokale Entwicklung 2. Die Städte 3. Einige übergemeindliche Institutionen 3. 1. Der Tiroler Landtag 3.2. Die Handelskammern 4. Die beiden Autonomien: Staat, Region, Provinzen und öffentliche Maßnahmen zugunsten der Wirtschaft
Pietro Nervi – Martin Gschliesser Die Dynamik bei der Landnutzung 1. Die betriebswirtschaftliche Struktur 2. Die wirtschaftlich-rechtliche Struktur 3. Zerstückelung und Zerstreuung 4. Verschiedene Modelle der Bevölkerungsansiedlung 5. Grundbesitzprobleme
Mariapia Bigaran Das Wachstum des Dienstleistungssektors zwischen Zentralismus und Autonomie 1. Das habsburgische Erbe 2. Die Zwischenkriegsjahre 3. Die Entwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Silvio Goglio Die unternehmerischen Dynamiken 1. Welche Art von Unternehmertum? 2. Unternehmertum und lokale Entwicklung 3. Industrie und Unternehmertum 4. Einige Hypothesen 5. Von den Achtzigerjahren bis zum Ersten Weltkrieg 6. Von 1919 bis zu den frühen Sechzigerjahren 7. Die Sechziger- und Siebzigerjahre 8. Von den späten Siebzigerjahren bis zum Ende des Jahrhunderts
Teil 2. Die Landwirtschaft auf der Suche nach einer neuen Identität Geremia Gios Die prekäre Nachhaltigkeit der Bergbaubetriebe 1. Die Umwelteinflüsse 2. Die Produktionsspezalisierung 3. Die unterschiedlichen Strukturen der Landwirtschaftsbetriebe 4. Die Unterstützungsmaßnahmen 5. Die öffentlichen Maßnahmen 6. Fazit
Roberta RaffaelliDer allmähliche Durchbruch der Produktionsspezialisierung
Geremia GiosÖffentliche Maßnahmen und Innovationen in der Landwirtschaft
Andrea LeonardiDie rationalisierende Rolle des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens
Teil 3. Der umstrittene Weg der Industrialisierung Helmut AlexanderDas bescheidene industrielle Erbe des 19. Jahrhunderts
Andrea Bonoldi – Rolf Petri Zwischen Rückstand und Integration: die wechselhafte Identität der Industrie 1. Die Zeit um die Jahrhundertwende 2. Die Industrie zwischen den beiden Weltkriegen: das Trentino 3. Südtirol und die Industriezone 4. Die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts: Rückstände, öffentliche Maßnahmen und Deindustrialisierung 4.1. Südtirol: von der Dezentralisierung zum quartären Sektor 4.2. Die Trentiner Industrie: Aufschwung, Krise und Wandel 5. Fazit
Andrea Bonoldi Technologien, Kapitalien und Kontrolle der Ressourcen: die regionale Elektrizitätswirtschaft 1. Die Anfänge der Elektrizität in der Region 2. Zwischen den beiden Kriegen 3. Von den Autonomieforderungen zur Nationalisierung und zurück: die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg 4. Fazit
Valentina Bergonzi Die Verkehrsinfrastruktur zwischen Aufschwüng und Widerständen 1. 1867 – I. Weltkrieg. Der behinderte, akzeptierte, angestrebte Fortschritt 2. 1919–1949. Die »modernen« Projekte 3. 1950–1974. Die »anämische« Entwicklung 4. Ende 1970er Jahre – 21. Jahrhundert. Die »Wiederentdeckung« des Landes
Teil 4. Zusammenbruch und Wiederaufschwung des Finanzwesens Andrea LeonardiDas wechselhafte Geschick der Kreditvermittler
Maurizio Visintin Die »auswärtigen« Banken in der Zwischenkriegszeit 1. Die Expansion der Trentiner und nationalen Banken in Südtirol 2. Die Bankeninvasion im Trentino 3. Die nationalistische Offensive gegen die ausländischen Banken in Südtirol 4. Die Banca Nazionale del Lavoro
Laura BrunelliDas regionale Bankwesen in der Großen Depression
Andrea LeonardiDer Genossenschaftskredit zwischen Abschwächung und Aufschwung
Teil 5. Die Entwicklung des Handels und der Durchbruch des Tourismus Cinzia LorandiniDie schrittweise Erneuerung der Handelsstrukturen
Andrea Leonardi Vom Elitetourismus zum Massentourismus 1. Unterschiedliche Ausprägungen des Elitetourismus am Beginn des 20. Jahrhunderts 2. Kriegsschäden und Orientierungslosigkeit 3. Wintersport und neue Perspektiven für den regionalen Tourismus 4. Die Wiederbelebung des Tourismusangebots und der «Massentourismus»5. Eine ungebremste Entwicklung?
Claudio Ambrosi – Paul Rösch Der Berg in einer anderen Rolle: die neue Funktion der Seilbahnanlagen 1. Schweben zwischen Ängstlichkeit und Hochgenuss 2. Landschaft als Drama: die neue, ungewohnte Sichtweise 3. Die Eisenbahn bringt die Alpen den Metropolen näher 4. Warum wurden die Schwebebahnen erst so spät eingesetzt? 5. Der Erste Weltkrieg als technischer Playground 6. Der Skisport degradiert die Schwebebahnen zum Transportmittel 7. Musealisierung eines Sektors
Hans Heiss Eine weit zurückreichende Tradition: Ursprünge und Wandel des Gastgewerbes 1. Grundzüge der touristischen Entwicklung 1860 bis 2000 2. Altes Gastgewerbe zwischen Familie, Tradition und mäßiger Innovation 3. Blick auf die Gründergeneration 4. Vom Gasthof zum Hotel: Trends um 1900 5. Umbruch nach 1918: Stabilitätsfaktor Familienbetrieb 6. Nach 1945: Ende der Grandhotels und neue Aufsteiger 7. Strukturwandel ab 1980 8. Marktbereinigung und Professionalisierung ab 1995
Literatur
Akronyme und Abkürzungen
Namenregister
Tabellenverzeichnis